Sellrainer Hüttenrunde 2020

3. Juli 2020

Einleitung

“Aus dieser Richtung ist dieses Jahr noch niemand zur Hütte gekommen. Es geht mindestens zwei Stunden steil durch Schnee und Eis. Ich würde euch abraten, diesen Weg zu nehmen.” Die Message war eindeutig und zähneknirschend planten wir einmal mehr eine Tour kurz vor Schluss um. Was sonst noch so auf unserer Sellrainer Hüttenrunde passierte, kannst du hier nachlesen.

Länge der Tour: 4 Tage | Datum: 03.-06.07.2020 | Art der Tour: Rundwanderung | Übernachtung: Hütte | Gelände: Alpin | Ort: Sellrain, Oetztal, Österreich | Bergspitzen: Schöntalspitze (3.002 m), Sulzkogel (3.016 m)

Berg mit schneebedeckten Hängen zwischen Wolken
Wolkenverhangen

Tag 1 – Sellrain zur Potsdamer Hütte

Pünktlich Mitten in der Nacht begann unser Tag mit der Abfahrt in Oppenheim und endete kurz vor Mittag im Örtchen Sellrain im gleichnamigen Gebiet in Österreich. Nachdem unsere Touren in den letzten Jahren regelmäßig ziemlich anstrengend waren, hatten wir die erste Etappe zur Potsdamer Hütte entspannt durch das Tal mit knapp drei Stunden Gehzeit geplant. Als wir in Sellrain ankamen und uns auf den Weg machten, entschieden wir uns jedoch kurzerhand, den Weg über den Grat mit drei Gipfeln zu nehmen, statt durch das Tal zu gehen – mir ist immer noch schleierhaft, warum wir das gemacht haben. Also ging es erstmal knapp 800 Höhenmeter relativ straight nach oben.

Schon ordentlich außer Puste erreichten wir schließlich den Bergrücken und machten uns nach einer kurzen Pause auf den Weg. Begleitet wurden wir dabei jedoch dauerhaft von Nebel und Nieselregen, sodass sich unsere Begeisterung für die tolle Aussicht, die nicht vorhanden war, in Grenzen hielt. Auch die drei Berggipfel bemerkten wir vor lauter Nebel immer erst, als wir schon dort waren. In der Zwischenzeit war der Tag auch schon relativ fortgeschritten, sodass wir auf der Hütte Bescheid geben mussten, dass wir es nicht vor 19 Uhr und damit dem eigentlichen Ende des Essens schaffen werden. Etwas zähneknirschend bewilligte uns der Wirt auch eine spätere Mahlzeit.

Mit knurrendem Magen erreichten wir dann auch das Ende des Kamms und machten uns an den Abstieg. Letztlich erreichten wir erschöpft und ein bisschen konsterniert ob des unbefriedigenden Wetters die Potsdamer Hütte – und wie sollte es auch anders sein, klarte das Wetter kurz nach unserer Ankunft auf und gab selbst von hier unten einen tollen Blick auf die umliegenden Berge frei.

Tag 2 – Potsdamer Hütte – Westfalenhaus

Nach dem anstrengenden Vortag sparte ich mir das frühe Aufstehen für den Sonnenaufgang. Bei mäßigem Wetter machten wir uns auf den Weg zu unserem ersten Etappenziel, dem Roten Kogel. Einmal mehr ging es mehr oder weniger dauerhaft bergauf und ich mache es kurz: Dank Nebel hatten wir leider keinerlei Sicht und täglich grüßt das Murmeltier: Beim Abstieg klarte es auf und wir bekamen zumindest einen kleinen Eindruck von der tollen Aussicht. Nach dem wir den Kogel überschritten hatten, führte uns der Weg bei gutem Wetter parallel zum Hang oberhalb von Praxmar. Hier hatten wir eine tolle Sicht mit wechselnden Wolkenformationen auf den imposanten Lüsener Fernerkogel.

Wanderer mit Stöcken läuft durch Graslandschaft
Eingeschränkte Sicht
Wanderer läuft mit Stöcken und Rucksack durch eine Wiese mit Blumen
Lüsener Fernerkogel taucht langsam auf
Gletscherflüsse, Wald und Berge
Tal hinter Praxmar

Gegen Ende des Tals ging es den Hang hinab und entlang des Gletscherlehrpfads, bevor der Aufstieg durch einen wunderschönen Zirbenwald hinauf zum Westfalenhaus begann. Am Ausgang des Waldes erreicht man eine malerische Hochebene mit vielen kleinen Wasserläufen, bevor man nach einem letzten Anstieg das Westfalenhaus erreicht. Als Alternative zur Übernachtung im Westfalenhaus bleiben viele in Praxmar im dortigen Alpenhof, wodurch man jedoch diesen tollen Aufstieg verpasst.

Panorama mit Westfalenhaus auf der Sellrainer Hüttenrunde
Westfalenhaus mit Bergpanorama
Westfalenhaus im Abendlicht auf der Sellrainer Hüttenrunde
Westfalenhaus im Sonnenuntergang

Tag 3 – Westfalenhaus – Schweinfurter Hütte

Alpenrose und Bergkapelle beim Sonnenaufgang
Kapelle beim Sonnenaufgang
Kapelle im Morgenlicht zwischen Alpenrose auf der Sellrainer Hüttenrunde
Kapelle Teil 2

Für den heutigen Tag steht eine Kombination zweier Etappen auf dem Programm. Die Etappe zur Pforzheimer Hütte sowie die anschließende Etappe zur Schweinfurter Hütte. Um die Etappe gut zu schaffen, ging es schon um 07:30 los. Wie an den Tagen zuvor, geht es auch heute wieder direkt nach der Hütte steil nach oben – diesmal zur Zischgelesscharte. Nachdem wir diese erreicht hatten, nutzten wir die Gelegenheit für einen “einfachen” 3000er und kraxelten zur Schöntalspitze hinauf. Nach etwas mehr als 20 Minuten bot sich uns ein toller Blick auf die umliegenden Gipfel des Ötztals. Nach einigen Fotos ging es wieder hinab zur Scharte und an den Abstieg.

Schneebedeckte und karge Gebirgshänge
Karge und schneebedeckte Hänge
Wanderer läuft durch Schnee auf Berghänge zu
Das Ziel im Blick
Altschneebrett an der Zischgelesscharte auf der Sellrainer Hüttenrunde
Altschneebrett an der Zischgelesscharte
Panorama der Berge rund um das Westfalenhaus
Blick zurück zum Westfalenhaus
Jan Becker sitzt neben dem Gipfelkreuz des Zischgeles
Zischgeles

Der Abstieg gestaltete sich äußerst anspruchsvoll, da aufgrund des frühen Zeitpunkts unserer Tour noch große Mengen Altschnee lagen und kaum jemand die Strecke gegangen war. Im ersten Abschnitt war das Geröll äußerst rutschig und wir hatten mehrfach kleinere Steinschläge, denen wir teilweise nur durch seitliches in den Schnee fallen lassen ausweichen konnten. Die Wand war zwar mit Stahlseilen versichert, aber der Untergrund war eine einzige Rutschpartie. Dazu kam noch der Schrecken, als ich auf einem Stück auf den Schnee auswich und kurz danach bis zur Hüfte in den Schnee einbrach – zum Glück ohne mich zu verletzen. Nachdem wir diese Passage geschafft hatten, hatten wir die Wahl zwischen einem Schneefeld und einer Geröllrinne, beide richtig steil. Nach der Rutschpartie entschieden wir uns für das Schneefeld. Schritt für Schritt traten wir uns unsere Spur in den harten Schnee, sodass die Füße des Führenden am Ende blau waren. Die letzten etwas weniger steilen Passagen des Schneefelds überbrückten wir teilweise auf dem Hintern rutschend. Alles in allem war der Abstieg eine einzige Strapaze, die weit über eine Stunde dauerte und ziemlich an den Nerven zerrte.

Wanderer steigt am Stahlseil eine Schuttrinne hinab
Schwieriger Abstieg

Der weitere Weg zur Pforzheimer Hütte entschädigte zumindest teilweise für die Strapazen. Der Weg schlängelt sich entlang eines immer breiter werdenden Bachlaufs durch eine Ebene mit viel Vegetation ohne größere weitere Höhenmeter. Unsere Mittagspause verbrachten wir dann an der Pforzheimer Hütte, bevor es weiter zur Schweinfurter Hütte ging. Der restliche Tag verlief dann eher unspektakulär, sodass wir im späten Nachmittag die Schweinfurter Hütte erreichten.

Fluss fließt durch Wiesen mit Berghängen
Flusslandschaft
Fluss und Wanderweg durch Berglandschaft auf der Sellrainer Hüttenrunde
Idyllischer Weg zur Schweinfurter Hütte
Scheune auf einer Wiese in den Bergen
Scheune im Abendlicht

Tag 4 – Schweinfurter Hütte – St. Siegmund

Schon am Vorabend setzten wir uns zusammen und besprachen unsere nächste Etappe zur Bielefelder Hütte – die Königsetappe der Sellrainer Hüttenrunde. Leider war die Wetterprognose nicht so gut und es drohten wieder Nebel & Regen. Als wir den Hüttenwirt nach seiner Einschätzung fragten, riet er uns sehr davon ab, zur Bielefelder Hütte zu gehen. Es sei in diesem Jahr noch niemand diesen Weg gekommen und es würde 2-3 Stunden durch ein Schneefeld gehen, das aufgrund des guten Wetters am Vortag vermutlich angetaut war und jetzt wieder festgefroren ist, sodass es eher Eis als Schnee ist. Ohne Steigeisen und Pickel würde er die Route aktuell nicht gehen.

Letztlich haben wir uns an seinen Rat gehalten, der Bielefelder Hütte abgesagt und die Route umgeplant. Da die Dortmunder Hütte in diesem Jahr umgebaut wurde, mussten wir die Hüttenrunde leider beenden und entschlossen uns nach St. Siegmund abzusteigen und die Heimreise anzutreten.

Einmal mehr ging es direkt hinter der Hütte mit dem Aufstieg zur Finstertaler Scharte los. So langsam machten wir uns Gedanken, ob wir uns nicht vielleicht vorher im Flachen ein wenig warmlaufen sollten, auch wenn das zusätzliche Kilometer bedeuten würde. Gleichzeitig fühlten sich die direkten Anstiege doppelt anstrengend an – man müsste mal einen Sportwissenschaftler fragen. Der Anstieg führte zu Beginn durch Alpenrosen und Sträucher, bevor wir die Baumgrenze verließen und Schnee und Geröll neben Gräsern die Landschaft dominierten. Durch mehrere zum Glück flache Schneefelder und einen eisblauen See erreichten wir nach einem steilen Stück durch ein Schneebrett oben an der Kante der Scharte die andere Seite.

Zwei Wanderer gehen in einer Graslandschaft den Berg hinauf
Aufstieg Finstertaler Scharte
Bergkette mit vereinzeltem Schnee
Blick Richtung Oetztal

Der Abstieg gestaltete sich dankenswerter Weise weniger anspruchsvoll als an den Tagen zuvor. Unser Weg führte uns am fast leeren Finstertaler Speicher vorbei, bevor es wieder bergan über den Steintalsattel und hinein ins Kraspestal ging. Mit immer mehr schmerzenden Füßen erreichten wir schließlich Haggen und folgten dem Wanderweg durch den Wald und entlang von Koppeln bis wir letztlich erschöpft St. Siegmund erreichten.

Bergkamm am der Finstertaler Scharte
Finstertaler Scharte
Zwei Wanderer laufen durch den Schnee in einem Bergkessel
Schneelandschaft im Sommer
Finstertaler Speicher ohne Wasser und Zwölferkogel
Finstertaler Speicher
Schroffes Gestein an einer Felswand
Schroffes Gestein
Wanderer steigt steilen Geröllhang ab
Steiler Abstieg ins Kraspestal
Bäume zwischen Sträuchern im Wald
Wald im Tal

Fazit

Wenn ich an die Tour im Nachhinein denke, fallen mir immer direkt zwei Dinge ein. Erstens, dass eine Tour über 2.000 m bis hinauf zu 3.000 m so früh im Jahr deutlich anspruchsvoller und auch gefährlicher ist und somit mindestens ein mehr an Ausrüstung, aber natürlich auch Erfahrung benötigt. Für mich ist klar, dass ich eine solche Tour zukünftig lieber später im Jahr machen werde.

Der zweite Punkt ist die Tatsache, dass das Profil der Etappen äußerst anstrengend war, da es fast immer direkt an den Hütten mehr oder weniger steil  nach oben und dann wieder nach unten ging – und das ein bis zweimal für effektiv jedes mal knapp unter oder knapp über 1.000 Höhenmeter. Abgesehen von der schönen Wasserlandschaften kurz vor der Pforzheimer Hütte, ging es mir persönlich zu selten einfach mal länger im flachen Gelände entlang. So hatten wir zwar weniger Kilometer insgesamt, aber dafür umso knackigere Höhenmeter auf weniger Strecke. Da gefielen mir die Etappen auf dem Stubaier Höhenweg beispielsweise deutlich besser.