Zelttour Val Bedretto 2021

14. August 2021

Ging es heute morgen noch im Sonnenschein los, wird der Regen während unseres Anstiegs immer stärker und die Wolken immer dichter. Man sieht bald keine drei Meter mehr weit. Jetzt donnert und blitzt es zusätzlich noch und nach wie vor ist weit und breit kein Unterschlupf, geschweige den unser Ziel, zu sehen.

Sehen die Bilder aus den Alpen doch immer beeindruckend und idyllisch aus, zeigt dieser Ausschnitt unserer Tour im Val Bedretto einmal mehr wie wechselhaft und anspruchsvoll alpines Wetter und damit alpines Wandern sein kann – und das nicht nur im sogenannten Wasserspeicher des Tessin. Mehr zum Wetter und zur Tour sowie die Bilder dazu gibt es in diesem Blogbeitrag.

Länge der Tour: 4 Tage | Datum: 14.-17.08.2021 | Art der Tour: Rundwanderung | Übernachtung: Zelt | Gelände: Alpin | Ort: Ossasco, Tessin, Schweiz | Bergspitzen: Basodino (3.273 m), Pizzo Cristallina (2.911 m)

Tag 1 – Ossasco – Lago Bianco

Für den Anreisetag hatten wir (vermeintlich) aus den Vorjahren gelernt und die Strecke kürzer und mit etwas weniger Höhenmetern geplant. Entsprechend ging es für uns zu Hause erst gegen 5 Uhr los, sodass wir nach sechs Stunden Fahrt gegen 11 Uhr Ossasco erreichten. Der Aufstieg in Richtung Passo Cristallina begann mit einem steilen Abschnitt durch ein kleines Waldstück direkt am Ortsrand von Ossasco bevor das Terrain abflachte. Durch saftig grüne Landschaft ging es bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen den Weg hinauf. Auf halber Strecke zum Passo Cristallina wurde das Gelände zwar schroffer, war jedoch immernoch sehr angenehm zu gehen. Anzeichen, welche Kräfte in den Bergen wirken können, vermittelte uns der letzte Steinhaufen der alten Capanna Cristallina, die 1999 nur 150 Meter unterhalb des Passes von einer Lawine vollkommen zerstört wurde. Erstes Highlight war die Ankunft am Passo Cristallina bzw. der Moment, als der Blick über die Kuppe auf den dahinterliegenden Basodino-Gletscher frei war. Das war definitiv beeindruckend.

Wanderer geht durch ein Waldstück mit Kiefern
Erster Teil des Aufstiegs
Grüne Landschaft mit einem Fluss oberhalb von Ossasco im Val Be
Zweiter Teil des Aufstiegs
Steile Steinwand im Sonnenschein
Steilwand
Blick auf den Basodino-Gletscher
Ghiacciaio Basodino

Kurz danach erreichten wir auch die Capanna Cristallina, von deren Sonnenterrasse wir bei einem Kaltgetränk ebenfalls den Blick auf den Gletscher genossen. Da mittlerweile schon später Nachmittag war, ging es nach der kurzen Pause auf der Hütte in Richtung unseres geplanten Nachtquartiers, dem Lago Sfundau. Zumindest dachten wir das, denn es stellte sich heraus, dass der Lago Sfundau ein waschechter Stausee mit rundherum steil abfallenden Wänden ist. Also hieß es Karte auspacken und nächste Optionen checken. Mit etwa einer weiteren Stunde weg konnten wir den Lago Bianco erreichen, in dessen Umgebung die Höhenlinien einen besseren (bzw. überhaupt einen) Zeltplatz versprachen. Um nicht im Dunklen anzukommen machten wir uns zügig auf den Weg und erreichten den See auch ein Stück vor der Dämmerung.

Berghütte Capanna Cristallina mit Bergen im Hintergrund
Capanna Cristallina
Wanderer geht auf einem Wanderweg oberhalb des Lago Sfundau
Lago Sfundau

Am Lago Bianco angekommen gestaltete sich die Suche nach dem prinzipiellen Zeltplatz nicht schwer, da es eine große Grasfläche davor gab. Diese war jedoch in fast allen Teilen sumpfig, sodass wir relativ lange gesucht haben, bis wir einen Platz fanden, wo es weniger sumpfig war. Wenn man mit dem Knie auf den Boden ging, kam zwar immernoch Wasser aus dem Boden, aber zum Glück hatten wir ein Groundsheet für den Zeltboden (TLD Polyground Zeltunterlage) dabei, die komplett wasserdicht sein sollte. Dem habe ich zwar nicht vollends vertraut und schlecht geschlafen, aber letztlich ging alles gut und wir wachten nach einer unruhigen Nacht am nächsten Morgen trocken auf.

Blick durch eine Felsöffnung auf den Basodino-Gletscher und den
Lago Bianco
Panoramabild der Landschaft im Val Bedretto mit schroffen Hängen, Stausee und Basodino
Beeindruckendes Panorama

Tag 2 – Lago Bianco – Lago dei Matörn

Im Morgengrauen schälten wir uns langsam aus dem Zelt. Da der Lago Bianco in einem Talkessel liegt, war von der Sonne noch lange nichts zu sehen. Kurzerhand beschlossen wir unser Frühstück auf später zu verschieben und packten das Zelt in leicht feuchtem Zustand ein.Der erste Teil der Tagesetappe ging vom Lago Bianco die betonierte Straße hinauf zum Stausee Lago dei Cavagnöö. Nachdem wir diesen erreichten, ging es über eine Leiter auf das Dach eines kleinen Häuschens (offizieller Wanderweg) und von dort wieder auf gewohnte Wanderwege. Nach einem kurzen steilen Anstieg erreichten wir dann auch ein Plateau oberhalb des Stausees, wo wir in der Sonne mit Blick auf den wunderschönen Basodinogletscher frühstücken konnten.

Lago Bianco in der Morgensonne mit Spiegelung des Hügels im Wasser
Lago Bianco am Morgen

Da wir schon relativ nah am Lago dei Matörn waren und gerade erst das Frühstück hinter uns hatten, gingen wir im nächsten Abschnitt einen weniger begangenen Pfad entlang eines steilen Hangs. Dieser entpuppte sich aufgrund der seltenen Nutzung als unerwartet herausfordernd und schweißtreibend. Nachdem wir uns knapp 1,5 Stunden durch das schwierige Gelände gekämpft hatten, kamen wir wieder auf den geplanten Weg und erreichten auch schon das Steinplateau oberhalb des Lago dei Matörn, von dem wir einmal mehr einen wunderbaren Blick auf den Basodino hatten. Nach einer Rast dort oben im Schatten machten wir uns auf den Weg zum See, der glücklicherweise auf einer Seite einen kleinen Grünstreifen am Ufer hatte, auf dem wir zelten konnten.

Zelt am Rand eines Sees im Val Bedretto
Zeltplatz am Lago dei Matörn

Nach mehreren aufgrund des Wetters verpassten Versuchen eines Bads in einem Bergsee in den letzten Jahren, konnte mich heute nichts davon abhalten. Nachdem wir alles ausgepackt hatten, ging es zur (kurzen!) Abkühlung ins eiskalte Nass und danach zum Trocknen in der Sonne auf die Isomatte – ein absolutes Highlight und Entspannung pur! Es kam aber natürlich wie es kommen musste und nach knapp 15 Minuten verschwand die Sonne zum ersten Mal am heutigen Tag und kühlerer Wind machte das weitere Trocknen in der Sonne zunichte. Etwas frustriert, aber doch erleichtert, dass ich es endlich mal geschafft hatte, bereiteten wir alles Weitere für unseren Schlafplatz vor, bevor es ans Abendessen ging.

Pünktlich zum Abendessen gesellte sich dann eine fast 20-köpfige Steinbockherde zu uns um ebenfalls zu Abend zu essen. Hielten die ersten Tiere noch recht großen Abstand zu uns, kamen einzelne Steinböcke bis auf wenige Meter ans Zelt ran, um gemütlich ihr Gras zu fressen. Nachdem wir das Schauspiel ein wenig beobachtet hatten, zogen wir uns ins Zelt zurück. Im Laufe des Abends zog dann ein Gewitter mit starkem Regen auf, sodass ich erst recht spät in einen unruhigen Schlaf fiel, da ich einmal mehr Angst hatte, dass wir am nächsten Morgen im Feuchten aufwachen würden. Hier besteht auf jeden Fall noch Optimierungspotential meinerseits 😉

Steinbock beim Äsen zwischen Geröll
Steinbock beim Abendessen

Tag 3 – Lago dei Matörn – Lago Nero

Tatsächlich hatte sich die Befürchtung der Nacht insofern bewahrheitet, dass der Boden unter dem Zelt gut durchnässt war, da der kleine Bach neben uns durch den anhaltenden Regen deutlich angeschwollen war. Da wir die Ränder des Groundsheets nicht nach oben gezogen hatten, war das Wasser dann auf das Groundsheet gelaufen und hatte sich über Nacht durch den Zeltboden gedrückt. Zum Glück hatte es nur unsere Isomatten ein wenig erwischt.

Wanderer mit Daunenjacke steht vor Bergpanorama
Sonnenaufgang rund um den Basodino

Dankenswerterweise begann der Tage einmal mehr sehr freundlich und nach einem ausgedehnten Frühstück konnten wir alle unsere Sachen trocken einpacken. Die heutige Route führte uns zu Beginn nach einem ersten steilen Abstieg unterhalb des Basodinos entlang durch recht flaches Gelände in Richtung Lago dei Zött. Von dort ging es in engen Serpentinen durch üppig grünes Gelände ziemlich steil hinab bis an den Rand des Stausees. Am Stausee verdeutlichte eine Tafel, wie erschreckend klein der Gletscher in den letzten 170 Jahren geworden war und in welchem rasanten Tempo er weiter verschwindet. Nach einem Mittagssnack am Rand des Sees, ging es, mit einem kleinen Umweg aufgrund einer zerstörten Brücke, hinunter zur Capanna Basodino bzw. die dortige Seilbahnstation, die jedoch sehr verwaist war. Nach diesem leichteren Teil des Tages stand nun der Aufstieg des heutigen Tages hinauf zum Lago Nero an.

Wolken vor Basodino-Gletscher im Val Bedretto
Wolkenverhangener Basodino-Gletscher
Wanderweg mit Markierung zwischen Felsen und Pflanzen
Saftig grüner Weg in Richtung Lago dei Zött
Wanderer vor wolkenverhangener Bergkulisse und Stausee
Blick auf den Lago dei Zött
Wanderer geht über einen Fluss mit Wasserfall im Hintergrund
Abwechslungsreiches Terrain
Ufer eines Stausees und umgebende Berghänge
Lago dei Zött

Etwa auf halbem Weg liegt Lielp. Nachdem wir in der Sonne gestartet waren, war das Wetter nachdem wir Lielp erreicht hatten zusehends zugezogen. Hier begann dann auch der richtige steile Teil und nach kurzer Zeit hatten wir nur noch Sicht für wenige Meter vor uns. Irgendwann fing es auch noch an zu blitzen und zu donnern. Wir hatten das Gefühl, dass wir nun endlich mal da sein müssten, aber laut GPS waren wir immer noch ein gutes Stück vom Ziel entfernt. Deswegen hielten wir immer mehr nach einer Stelle Ausschau, wo wir uns hinkauern und vor dem Gewitter schützen konnten. Über mindestens 20 Minuten fanden wir nicht einen einzigen größeren Stein, obwohl wir durch schroffes, steiniges Gelände gingen. Irgendwann entdeckte ich dann plötzlich einen größeren Stein und wir kauerten uns keine Sekunde zu spät darunter. Kaum hatten wir den Stein erreicht, wurde aus dem Gewitter ein waschechtes Unwetter. Erst schüttete es wie aus Kübeln, dann ging der Regen in Hagel über (siehe Video) und letztlich wieder in Regen. Irgendwann lief uns auch trotz unseres Schutzes das Wasser zwischen Jacke und Rucksack und in die Wanderschuhe. Nach knapp 20 Minuten ließ der schlimmste Teil nach und wir machten uns – ziemlich durchnässt – wieder auf den Weg.

Unwetter und Hagel

Glücklicherweise lichtete sich das Wetter nach und nach und der Weg vor und hinter uns wurde wieder sichtbar. Dabei zeigte sich, dass wir tatsächlich nicht mehr weit vom Ziel entfernt waren und gleichzeitig natürlich unendlich viele Steine als Unterschlupf in der Nähe gewesen wären, wir sie aufgrund der schlechten Sicht jedoch einfach nicht sehen konnten. Fast am Ziel angekommen, führte der Weg nur noch oberhalb eines Kessels entlang, bis wir den See erreichten.

Dort angekommen, ging einmal mehr die Suche nach einem guten Zeltplatz los. Glücklicherweise gab es dort einige Möglichkeiten. Letztlich fanden wir einen Platz mit freiem Blick auf den Basodino. Ein grandioser Ausblick und mit Abstand der beste Zeltplatz, auf dem ich bisher war. Der freie Blick hatte zwar die Folge, dass der Wind ordentlich am Zelt zog, aber das war es wert. Nachdem das Zelt stand, blieb uns praktischerweise noch ausreichend Zeit, um uns und unsere Sachen wieder vollständig zu trocknen, bevor die Sonne wieder verschwand. Zum Abschluss des Tages wurden wir auch noch mit schönem Lichtspiel belohnt, als einzelne Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke brachen. Beim Kochen des Abendessens kam der Regen dann wieder zurück, sodass wir letztlich unter der Apside fertig kochen mussten. Dafür war das Essen im warmen Schlafsack dann umso netter. Den restlichen Abend und die Nacht durch wechselten sich dann Regen, starke Windböen und Ruhephasen ab, sodass die Nacht für mich wieder mal eher unruhig war.

Zelt vor Bergkulisse mit Sonnenstrahlen
Zeltplatz deluxe am Lago Nero
Sonnenstrahlen fallen in einen Bergkessel mit See und umgebenden Bergen
Tolles Lichtspiel zum Abend

Tag 4 – Lago Nero – Ossasco

Nachdem wir das Zelt eingepackt hatten, ging es zum Start des Tages direkt ziemlich steil hinauf zur Bocchetta del Lago Nero. Zum Glück waren das fast alle Höhenmeter des Tages. Von oben ging es dann recht unspektakulär, dafür aber bei strahlendem Sonnenschein, in einer langgezogenen Kurve immer im Wechsel durch Geröll, verblocktes Gelände und einfachere Passagen, bis wir gegen Mittag den großen Stausee Lago del Narèt erreichten. Da das Wetter am Horizont wieder unbeständiger wurde, wir keine Sonne mehr zu erwarten hatten und wir die letzten Tage immer weniger Glück mit dem Wetter hatten, beschlossen wir auf unsere Übernachtung oberhalb des Lago del Narèt zu verzichten und stattdessen direkt nach Ossasco abzusteigen.

Blick auf den Lago Nero mit den umliegenden Berghängen
Blick zurück zum Lago Nero
Stausee mit Bergen und Wolken im Hintergrund
Lago del Narèt

Nachdem wir den See umrundet hatten, machten wir uns an den Aufstieg zum Passo del Narèt und von dort erreichten wir nach knapp 30 Minuten den Weg, den wir zum Aufstieg zur Capanna Cristallina genutzt hatten. Das Wetter hielt bis zum Schluss und weiter unten kam die Sonne wieder etwas heraus, sodass wir doch etwas Gewissensbisse hatten, dass wir dort oben noch Sonne gehabt hätten und es sich gelohnt hätte zu bleiben. Also wir dann jedoch aus den dreckigen Klamotten raus und in die bequemen Klamotten reinkamen, bereuten wir die Entscheidung nicht mehr und freuten uns auf die Pizza und die warme Dusche zur Belohnung.

Ladnschaftsaufnahme grüner und steiniger Berghänge
Weg zum Passo del Narèt

Fazit

Nachdem wir 2019 auf unserer Zelttour im Val Bavona schon so begeistert waren von diesem Gebiet, hat sich die Rückkehr ins Tessin definitiv gelohnt. Während es im Val Bavona deutlich abgeschiedener, einsamer und wilder war, hat man sich hier im Val Bedretto durch die Stauseen, die betonierten Straßen und die beiden Capannas der Zivilisation viel näher gefühlt. Gleichzeitig waren wir sowohl am Lago dei Matörn als auch am Lago Nero sowie den größten Teil der Strecke komplett alleine (was vielleicht auch ein wenig an der Pandemie lag).

Großes Highlight und Fixpunkt der Tour und auch des ganzen Gebiets ist definitiv der Basodino. Nahezu von überall ist er sichtbar und thront imposant zwischen Val Bavona und Val Bedretto. Gerade in einer Zeit, in der es leider nicht mehr viele Gletscher gibt, war es immer wieder schön zu beobachten, wie sich das Licht auf dem Eis in Kombination mit den Wolken veränderte.

Wer Lust auf einen guten Mix aus Abgeschiedenheit, tollen Bergkulissen und durch die vielen Seen des Gebiets schier unendliche Kombinationsmöglichkeiten an Routen hat, dem kann ich die Region rund um den Basodino und den Pizzo Cristallina auf jeden Fall empfehlen. Ich werde in die Region wiederkommen, und sei es nur um etwas weiter südöstlich dem Pizzo Campo Tencia noch mal einen Besuch abzustatten.